Sonntag, 6. November 2011

Die alternde Mnemosyne

Haben wir etwas verlegt, neigen wir, wenn wir in die Jahre kommen, dazu zu glauben, unser Gedächtnis hätte nachgelassen, was dadurch untermauert wird, daß wir beispielsweise öfter auf der Suche nach verlegten Gegenständen zu sein scheinen als früher. Wohl weil wir uns, wie bereits zu früheren Zeiten, nicht mehr daran erinnern mögen, in der Vergangenheit ähnlich häufig nach etwas gesucht zu haben wie heute, halten wir ein mit der Zeit nachlassendes Gedächtnis für unausweichlich. Tatsächlich ist es so, daß die Gedächtnisleistungen im höheren Alter ein wenig nachlassen, aber das liegt zum großen Teil daran, daß viele meinen, sie müßten sich jeden Quark merken, und damit die mnemonische Registratur in ihrem kognitiven Apparat unnötig überfordern.

Der Hauptgrund für unnötiges Suchen ist jedoch eine Abnahme der Bewußtheit. Wir erinnern uns nicht mehr, wohin wir die Bohrmaschine gelegt haben, weil wir beim Ablegen mit den Gedanken bereits woanders waren, etwa bei Schrauben und Schraubenzieher. Je mehr uns bekannt ist an Gegenständen und Abläufen, um so mehr wird als selbstverständlich betrachtet und damit aus dem Bewußseinsfokus ausgesondert. Kennen wir alles.

Wer zunehmend vergeßlich wird, dem hilft nicht so sehr ausgefeilte Mnemotechnik, als vielmehr eine verstärkte bewußte Wahrnehmung der Umgebung, aber vor allem des eigenen Tuns. Dazu ist manchmal ein etwas langsameres Agieren notwendig als gewohnt, und das ist nicht nur gut fürs Bewußtsein und das Gedächtnis, sondern schont auch die Nerven und entlastet die Knochen.

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