Freitag, 29. April 2011

Würmerfangen

Der frühe Vogel fängt nichts, denn es ist noch keiner da.

Donnerstag, 28. April 2011

Egoismus

Das Schlimmste am Egoismus ist nicht die Rücksichtslosigkeit beim Ellbogengebrauch, sondern das phantasiearme Bewußtsein des Egoisten, die andern hätten eine ähnliche Einstellung wie er selbst (oder sie seien gar schlimmer) und würden diese nur besser verbergen. So gesehen, wird die eigene Egohampelei zu einer Art Schutzmechanismus. Wie so oft, spielt der Täter nichts lieber als Opferlamm.

Freitag, 15. April 2011

Raubtierkapitalismus

Die Google-Aktie ist auf Talfahrt gegangen. Warum sollte uns das zu denken geben? Der Gewinn ist soeben um fast zwanzig Prozent gestiegen, im letzten Quartal gab es 1600 Millionen Euro zu verteilen. Aber die verwöhnten fetten Hündchen, denen das Fressen in den Näpfen aufgetürmt wird, jaulen auf und kläffen im Depot herum, weil ihnen der Futtersegen nicht reicht. Weshalb? Sie haben gehört, daß die Zulieferer, die für den Freßnapfnachschub zuständig sind, für ihre Tätigkeit zuletzt ein klein wenig mehr von dem Fleischberg abbekommen haben und auch ein paar neue dazugekommen sind, die natürlich nicht hungrig zur Arbeit kommen sollen, sondern gern.

Jetzt sind unsere verhätschelten Tierchen sauer und bereit, alle wegzudrängen, die sich an "ihrem" Futter vergreifen wollen. Nun sind diese Köter keine wirklichen Raubtiere, sondern nur domestizierte Sofalöwen, aber sie haben doch Zähne, und wenn sie die auch meistens nur blecken, wenn es um ärmere Artgenossen geht, so ist durchaus zu erwarten, daß so mancher Arglose verletzt wird, wenn er den Futternäpfen der Börsenhunde zu nahe kommt, denn die können, wenn die Gier sie mal wieder blind macht, ganz schön um sich beißen. Das Ganze nennt man Raubtierkapitalismus.

Handelsblatt

Mittwoch, 13. April 2011

Die Geburt des Humors

Aller Humor beginnt, wenn sich der Spaß einen seriöseren Namen verdienen will, damit, daß man sich morgens im Spiegel erblickt. Wer dabei ernst bleibt, der wird nur mit Mühe zu echtem Humor gelangen und sich meistenteils mit Blödelei über andere begnügen müssen.

Dienstag, 12. April 2011

Hyperbolische Litotik

Einer gelungenen Hyperbel merkt man die Übertreibung nicht an, vielmehr nährt sie den Verdacht, es handle sich um eine litotische Aussage, etwa wenn man von einem Kurzdenker sagt, er halte sich für beinahe so intelligent wie Albert Einstein oder so schlau wie Helmut Kohl.

Der Mann in der Natur

Wann ist der Mann ein Mann? Wenn er die Männlichkeit anderer in Frage stellt und glaubt, durch Kernseife und Büschel unter den Armen würde einer kernig, dann ist er von Maskulinität weit entfernt, und wenn er sich fragt, was Frauen männlich finden, und sich deren Männlichkeitsbildern anzunähern trachtet, dann ist der Mann kein Mann mehr. Auch zuviel Marlboro-Reklame, die immer noch im Kopf rumspukt, kann schädlich sein.

Die Natur ist weiblich und fühlt, daß sie will, aber sie weiß nicht so recht, was sie will. Deshalb probiert sie so vieles aus. Der Mann ist dabei nichts besonders Erwähnenswertes. Was die Arterhaltung betrifft, so ist die Natur durchaus bereit, die eine oder andere Art, die sich aus ihrer Sicht nicht bewährt hat, aufzugeben.

DIE ZEIT

Montag, 11. April 2011

Neues vom Guttenberg

Wie der Presse zu entnehmen ist, behauptet Doktor-no-Guttenberg (von) nach wie vor, er hätte die beweglichen Lettern erfunden, wenn nicht gar die Schrift, und sich dabei höchstens aus Versehen auf frühere Erfindungen anderer gestützt. Die Veröffentlichung anderslautender Erkenntnisse selbsternannter universitärer Experten aus dem banalen Bürgertum lehne er strikt ab und werde sie durch seine gleichadeligen Anwälte untersagen lassen.

Lola im Kartoffelsack

Die Verleihung des deutschen Filmpreises Lola ist nicht, wie die Oscarverleihung, eine der wichtigsten Modenschauen des Jahres. Wer letzten Freitag die Vorführung der vielen auf unterschiedliche Weise am Hals befestigten Leibchen gesehen hat, der konnte einen Eindruck davon bekommen, wie ansteckend schlechter Geschmack zu sein scheint. Ich frage mich nur: Gab es vorher telefonische Geheimabsprachen zwischen den Beteiligten oder gar einen verbindlichen Dresscode?

"Ich muss unbedingt noch ein Kleid finden, das ich beim 'Deutschen Filmpreis' tragen werde", sagte Demet Gül, eine der Teilnehmerinnen beim Wettbewerb um die Aufgabe Wem gelingt die originellste Umsetzung des Themas 'Kartoffelsack als Kleidungsstück', der Interviewerin des "Münchner Wochenanzeigers". Wer die Verleihung der Lolas miterlebt hat, der weiß: Demet Gül hat, wie die meisten ihrer Kolleginnen, ihr Kleid gefunden – vermutlich in den Gelben Seiten im Bereich Sarghandel und Beerdigungsbedarf. Beinahe alle Frauen an diesem Abend sahen aus, als hätten sie ihr Outfit von der Beisetzung Bernd Eichingers der Wiederverwertung zugeführt. Die Moderatorin natürlich ausgenommen, die so schillerig übertrieb, wie sie auch überproportioniert palavernd monologisierte.

Der einzige, der auffällig gut und dennoch wie selbstverständlich gekleidet die Bühne betrat, war Wim Wenders, der es verstand, auf diese Weise erfolgreich von seinem Sechziger-Jahre-Kassenbrillengestell und der beinahe obszön-pompösen Frisur abzulenken.

Er hat zu Recht einen Preis bekommen.

Donnerstag, 7. April 2011

Mut und Übermut

Der Übermütige hält kontrollierte Courage für mangelnden Mut, der Besonnene betrachtet Übermut als Flucht vor der eigenen Feigheit.


Wieder mal das gelbe Buch

Zugegeben, ich freue mich jedes Mal, wenn ich einen Fehler im Duden finde, nur leider vergesse ich meistens, mir das zu merken. Damit es mir diesmal nicht wieder durch die Lappen geht: Beim Wort "reagieren" erlaubt der Duden, im Gegensatz zu früheren Ausgaben und etwa auch zum neuesten Wahrig-Wörterbuch nur noch die Trennung re-agieren. Die nach wie vor korrekte Silbentrennung rea-gieren gilt jetzt denen, die sich nach dem Duden richten – und das sind leider viel zu viele –, als falsch.

Wer allerdings im Duden die Wörter Reagenzglas oder Reagens nachschlägt, wird sich verwundert die Augen reiben, denn dort bleibt der Trennstrich hinter dem "a" erlaubt: "Rea-gens", "Rea-genzglas" – was natürlich richtig ist. Nur: Kann beim "Reagieren" falsch sein, was beim "Reagenzglas" richtig ist, oder war man beim Duden mal wieder mit den Gedanken woanders, etwa hoch auf dem gelben Empfehlungswagen?

Mittwoch, 6. April 2011

Urteilsvermögen

Marissa Mayer (Google): "Its not what you know, it's what you can find out." (Es kommt nicht darauf an, was man weiß, sondern was man herausfinden kann.)

Man kann verstehn, daß die Vizepräsidentin von Google so bedacht-unbedacht daherredet, denn was sie sagt, ist natürlich ganz in Googles Sinn. Aber ist es auch zutreffend?

Früher, vor Googles Zeiten, als man noch mit Zetteln und Karteikarten hantierte, sagte derjenige, dem das Auswendiglernen und die Beschäftigung mit primitiver Mnemotechnologie zu mühsam und zu fade waren: Es kommt nicht so sehr darauf an, was man an Wissen anhäuft, wichtig ist vielmehr zu wissen, wo man suchen muß.

Damals war wichtig, daß man etwas wußte: nämlich wie und wo man suchen sollte. Das ist heute nicht anders, der Fokus des Wissens hat sich nur noch gravierender verschoben vom Faktischen zum Methodologischen. Manche halten diese Akzentverschiebung für eine bahnbrechende Neuerung, gar einen paradigmatischen Wendepunkt. Ich nicht, denn am Wesentlichen bei der Betrachtung von Fakten, Gedanken und Schlußfolgerungen hat sich nichts geändert. Wir benötigen zur Beurteilung all dessen das, was wir schon immer dazu brauchten und was von jeher viel rarer gesät ist als die üppig ins Kraut schießende Vielfalt der Informationen und Informationsverarbeitungstechnologien: Urteilskraft. Aber woher nehmen, wenn nicht plagiieren? Leider überall dort, wo vorhanden, nicht knackbar kopiergeschützt. Was also tun? Dazu müssen wir ein wenig nachdenken. Ob es nützt?

Das Ticken der Bomben

Der Optimist sagt: Es ist fünf vor zwölf. Der Pessimist ist eher der Meinung, es sei schon fünf nach. Ist es nicht in Wirklichkeit so, daß die meisten Bomben zu allen Zeiten ticken und keiner weiß, wann und wo welche Bombe losgeht?

Montag, 4. April 2011

Wie mich das Internet veränderte

Seit ich das Internet kenne
über den Daumen zwanzig Jahre
lese ich
davor las ich
heute sehe ich Bilder
früher schaute ich Bilder an
ich reihe jetzt Wörter
zuvor reihte ich Buchstaben
heute lerne ich durch Wikipedia und so
einstmals informierte ich mich bei Brockhaus und Co.
jetzt kommuniziere ich
früher pflegte ich Kommunikation

Heute denke ich
gestern dachte ich

Es ist jetzt also
alles ganz viel besser
als früher

Und genauso
anders schlechter.