Donnerstag, 27. November 2008
Mutmaßungen über Alfred und ein Gedicht
Alfred sackte in sich zusammen und blickte auf die endlosen Fensterreihen, die an ihm vorbeizogen, dieses graue Gewürge, dieses blutleere Steinfeuerwerk, das alles Leben garottengleich langsam, ganz langsam strangulierte, erstickte und schlußendlich fossilierte. Nichts würde bleiben als Sedimente vergeblicher Träume.
Die Tram hielt und spuckte alle aus. Nur Alfred blieb sitzen, leidend und voller Zorn und und innerlich geschüttelt von einem gnomigen Mischwesen aus Selbsthaß und Larmoyanz. Im letzten Moment, die Straßenbahn hatte bereits angeruckt, kamen sie hereingeflogen und schwebten wie schwarze Engel auf die Sitze, die beiden, deren Blicke sich ineinanderbohrten wie Schrauben in Holzbretter. Sie verzehrten einander mit einer Glut, die Alfred frösteln machte. Der junge Mann, die junge Frau, sie sprachen nicht, sie nahmen nichts um sich herum wahr, sie kopulierten geradezu mit orgiastisch geröteten Augen. Und Alfred wurde klein und alt und grau wie das Straßenpflaster. Und alles war so dicht, so dicht an seiner Kehle und er so fern, so fern von allem, was lebte und glühte.
Als er nach Jahren, wie ihm schien, endlich sein Zimmer betrat, brach Übelkeit sich Bahn, und er erleichterte sich in den Nachttopf. Er weinte, schluchzte, sprach stakkatoartig mit sich selbst und erlebte das Echo seiner Verzweiflung wie den Widerhall von Rufen in einer Tropfsteinhöhle. Erst nach langen Kämpfen mit Decken und Laken schlief er erschöpft ein.
In der Nacht weckten ihn Geräusche. Ein Kind schrie, er hörte flüsternde Stimmen, die sich zu polterndem Geschrei aufbliesen und dann wieder beruhigten, bevor sie ebenso schnell verstummten wie zuvor das Kind. Alfred machte Licht, setzte sich an den Tisch und schrieb:
Städter
Dicht wie die Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte sehn.
Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, ihre nahen Blicke baden
Ineinander, ohne Scheu befragt.
Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
Unser Flüstern, Denken .. wird Gegröhle ..
– Und wie still in dick verschloßner Höhle
Ganz unangerührt und ungeschaut
Steht ein jeder fern und fühlt: alleine.
Montag, 24. November 2008
Der gelehrte Lapsus
Mittwoch, 24. September 2008
Montag, 22. September 2008
Kafkas New York
Samstag, 20. September 2008
Gott und der Teufel
Scheinheilig
Getragene Würde
Tabus
Gebrochene Tabus sind wie gebrochene Knochen: Meistens wachsen die Teile wieder zusammen, und es gibt jede Menge Mediziner, die versuchen, alles wieder so zu richten, wie es mal war. Und was krumm ist und was gerade, das bestimmt der jeweilige Geschmack.
Fanatiker
Weit entfernt davon, selbstgerecht zu sein, ist ein Fanatiker ein gerechtigkeitsliebender Menschenfreund, einer, der glaubt, andere wären noch dümmer als er selbst, und es sei wünschenswert und mit aller Macht durchzusetzen, daß die andern auf seinen edlen Stand gehoben werden. Dead or alive.
Hans Dampf
Verstehen
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Wenn wir uns fragen, ob das Wort Sinn Sinn hat, ähneln wir einer Katze, die sich in den Schwanz beißt. Deshalb fragen wir nicht danach, sondern setzen es stillschweigend voraus. So auch die Katze: Wenn sie das Jagen nach ihrem Schwanz nicht sinnvoll fände, schliefe sie lieber.
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Die angeblich paradoxe "schwarze Milch der Frühe" in Celans "Todesfuge", über die so viel gestritten wurde in der Literaturwissenschaft, verliert sehr leicht einen Großteil ihres oxymorotischen Charakters, wenn man bedenkt, daß Hippokrates empfahl, bei schweren Krankheiten die Milch schwarzer Kühe zu trinken.
Todesfuge
Ontologische Ironie
Die Tücken der Agonalität
Vielleicht ist das auch der wahre Sinn von Goethes letzten Worten: "Mehr Licht!"