Dienstag, 5. Juni 2018

So denn, warmer Mond

Die Tage wildern grau in blauen Himmeln
Und tragen Lebensglut in Fässern fort
Du siehst das frische Brot verschimmeln
Und jeden Allertagemord.

Es ist dein Leben, das wie Eisen rostet
Du siehst den Stein, der die Genicke bricht
Du zahlst, auch wenn der Wind nichts kostet
Der dich hinfortweht aus dem Licht.

Du siehst die Funken, die im Dunkel splittern
Es ist dein Schatten, der die Blüten bricht
Du bist bereit, nur leichtes Zittern
Und langsam schwindet dir die Sicht.

Narren und Helden

Die Narren lauern auf den Furz des Helden.

Scherbenhaufen

Wer sich und andern nicht eingesteht, daß er Hilfe braucht, sucht sie dort, wo er sie nicht findet, nicht finden kann, was ihm paradoxerweise beweist, daß er sie nicht braucht. Das geht eine ganze Weile gut, aber auf Dauer vermehrt man damit nur die Anzahl der Scherbenhaufen. Und am Ende steht man Auge in Auge mit dem Nichts.

Montag, 4. Juni 2018

Transsubstantiation

Noch im scheinbar aufgeklärten 21. Jahrhundert gibt es Menschen, die ernsthaft darüber streiten, ob Gottgläubige unterschiedlicher christlicher Konfessionen gemeinsam an einem Akt der Anthropophagie teilnehmen dürfen, weil die einen diesen Vorgang als symbolischen ansehen, während die anderen tatsächlich Fleischgeschmack im Mund verspüren.

Ich frage mich bei dem allen: Was halten katholische Vegetarier von der Idee der Transsubstantiation?

Vielleicht sollte man Köttbullar reichen, um das Geschmackserlebnis für alle gleichermaßen realistisch zu gestalten.

Christliche Vegetarier (und Veganer) müßten dann allerdings leider zu Hause bleiben – nicht nur die protestantischen.

Sprachchirurgie

Sprachchirurgie gelingt nur ohne Narkose.

Einer schrieb 1

Einer (Klausens) schrieb:

»KURZE ERKENNTNIS
ZUR FORTFAHRENTWICKLUNG
DER MENSCHHEIT

Erstens

Im Mittelalter
Sollen gerne mal
Scherben oder Steine
Ins Brot eingebacken
Gewesen sein

WER BIETET EINHALT?

Das kann einem
Heute gut und gern
Immer noch passieren
Wo Geld alles ist
Gesundheit wenig

Zweitens

Im Mittelalter
Sollen gerne mal
Scherben oder Steine
Ins Brot eingebacken
Gewesen sein

WER BIETET EINHALT?

Das kann einem
Heute gut und gern
Immer noch passieren
Wo das Abgas- und -werteverhalten
Von Autos massenhaft gezielt industriell manipuliert wird«


Mittelkurze Bemerkung:

Eine Erkenntnis ist
weder kurz noch lang
zu einer Erkenntnis kommt man
oder man kommt nicht dazu
man hat keine
Erkenntnis zu etwas
man kommt zu einer Erkenntnis
über etwas

eine Fortentwicklung
ist keine Fortfahrentwicklung
und man bietet nicht Einhalt
Einhalt gebietet man
oder auch nicht

und vor allem:
Autos verhalten sich nicht
haben kein Verhalten
sondern nur
Funktionen
verhalten können sich
immer nur Lebewesen

so wie sich das Brot
im Mittelalter
oder auch später
nicht hart verhielt
wenn ein Steinchen
eingebacken war

und auch der Zahn im Mund
verhielt sich nicht zart
als er brach

aber der Besitzer des Zahns
verhielt sich angemessen

als er schrie

Gut finden?

Allen Ernstes wird gefragt: »Dürfen wir eine Fußball-WM in Russland gut finden?«

FAZ zu Anne Will 

Ich frage mich vielmehr, ob ich solche absurden Fragen gut finden sollte und die Tatsache, daß jemand sich anmaßt, mir Empfehlungen zu geben, was ich gut finden sollte und was nicht. Was ich gut finde und was nicht, das weiß ich nämlich selbst am besten.

So wußte ich auch ganz ohne diese Frage und ganz ohne Empfehlung, daß ich im Gegensatz zu den politischen Verantwortlichen und zum größten Teil der Presse damals die Fußball-WM in Argentinien nicht gut fand, weil in dem Land politisch nicht genehme Menschen verfolgt und gefoltert oder gern auch mal aus Flugzeugen über dem Meer abgeworfen wurden. Es herrschte dort in jenen Jahren ein Verbrecherregime übelster Sorte, und wie wir wissen, fanden die USA rechte Diktaturen in Lateinamerika ganz toll.

WM 1978

Aber ich soll mich fragen, ob ich eine Fußball-WM in Russland gut finde.

Sonntag, 3. Juni 2018

Fatalität

Das Sehr-Gute ist so selten wie ein schwarzer Diamant. Und wird leicht übersehen. Gutes ist immer zuwenig, denn das Bessere ist besser als das Gute. Aber das Bessere, wenn man es tatsächlich findet, nutzt sich meistens schnell wieder zu gut ab. Dann schaut der Mensch erneut nach Besserem und findet meist nur Mangelhaftes. Irgendwann meint er dann, das Mangelhafte sei ausreichend, findet es befriedigend und richtet sich im Ungenügenden ein.

Meinung

Ziemlich gefährliche Sache, eine Meinung ohne Aufsicht einer urteilsfähigen Vernunft in einem Kopf entstehen zu lassen. Dabei kommt selten etwas Besseres heraus als bei dem Versuch, einen Hefekuchen in einem Lagerfeuer zu backen.

Nur wenn einer Meinung ein aktiver Prozeß der Meinungsbildung vorausgegangen ist, der gern auch mal länger als fünf Minuten dauern darf, und man der Meinung eine halbwegs solide Grundierung ansehen kann, ist diese Meinung mehr wert als eine Blechmünze.

Nachgeplappertes ist keine Meinung. Der Nachplapperer kann also froh und sollte dankbar sein, daß er wie der Hefekuchenbäcker mit seinem Geplappere dennoch in den meisten Fällen von der Meinungsfreiheit profitiert, selbst wenn er – wie besonders, aber nicht nur, manche Migranten aus den deutschen Ostgebieten – nicht müde wird zu betonen, es gäbe in unserer »lügenpresseverseuchten Linksgründiktatur« keine Meinungsfreiheit.

Bewußtwerdung

Manchmal wird uns erst dann richtig bewußt, was wir wissen, wenn uns jemand anderes mit anderen Worten als den eigenen darauf hinweist. Dadurch, daß er uns versteht, verstehen wir uns selber besser.

Samstag, 2. Juni 2018

Risiko

Ein kalkuliertes Risiko ist kein Risiko; es erscheint nur denen als solches, die nicht kalkulieren können oder ihren eigenen kalkulatorischen Fähigkeiten nicht trauen. Zum Mißerfolg führt der Fehler in der Kalkulation, nicht aber das kalkulierte Tun.

Platos Ringe

An meinem Hals wie Eisenringe
hängt das Gewicht, der Fluch
des warmen Blutes, denkgedacht,
Lebenserlebens, aufgewacht,
wie eine Marmorvogelschwinge
auf einem offnen Weisheitsbuch.

Zu tragen hilft die kleine Liebe
die große ist nur Wahn und Schein
symbolisch nur und nicht zu spüren
nur da, zum Unglück zu verführen
nur Maskenspiel verkappter Diebe
ein Hirngespinst im falschen Sein.

Warten II

Gedanken wälzen
Gedanken
und Liebe tröpfelt
ins Leere.
Auf der Zunge
verklebte Hilferufe.

Nichts fließt
nur das Blut tuckert
träge dahin.

Freitag, 1. Juni 2018

Tagesschau

Milchglasiges
Wundengebrüll
zerfließt an
schreckenverkrusteten
Seelen.
Sekundenstarker
Trauerbruch
wieselt vorbei.
Unterm Mantel
erstarrter Tränen
trommeln Herzen.
Vergessen.

Donnerstag, 31. Mai 2018

Zufälle

Zufälle sind Scherze der Notwendigkeit oder auch ironischer Kommentar des Universums zu unserer Gewohnheit, uns selbst allzu wichtig zu nehmen.

Dienstag, 29. Mai 2018

Denken denken

Jede Formvorgabe und jede Erwartungshandlung beim Denken ist von Übel, weil der Denkprozeß durch solche Prämissen unnötig behindert und verwässert, wenn nicht gar verhindert wird.

Montag, 28. Mai 2018

Blogigo-Archiv

Blogigo-Archiv Lyriost – Madentiraden

Schwarz auf weiß

Er habe sagt man
Frauen lange angeschaut
fast weiße Frauen

fast aufdringliche Blicke
fast anzüglich gelächelt

Sonntag, 27. Mai 2018

Blogigo ist Geschichte

Blogigo wurde einfach über Nacht dichtgemacht. 

Wer von meinen Blogigo-Kontakten das hier findet, bitte über lyriost@aol.com melden.

Sonntag, 9. Dezember 2012

Objektivität

Wenn ich mir Objektivität vorzustellen versuche, dann hat dies doch immer subjektiven Charakter. Nicht nur ist jeder Objektivierungsversuch meine ganz spezifische subjektive Art der Vorstellung von Objektivität, sondern vor allem die Entscheidung, von mir selbst und meinem Standpunkt absehen zu wollen, ist eine höchst subjektive. Warum sollte ich das tun? Aus moralischen Gründen? Um Gott zu spielen? Um mir selbst oder andern etwas vorzumachen? Wir alle sind voll von Ideen und Meinungen, die wir für selbstverständlich halten, die jedoch tatsächlich kulturell gewachsen sind und aus der Perspektive einer denkbaren anderen Kultur als banal oder absurd betrachtet werden können. Dazu gehört auch die Idee der Objektivität, an die ich nicht glaube. 

Lyriost – Madentiraden