Verabredet mit einem Freund, stehe ich um Viertel vor acht in meiner neuen alten Heimat, very small town, auf dem Bürgersteig vor einem im unteren Bereich fensterlos erscheinenden, weil plakatierten Gebäude im Dunkeln. Nichts regt sich. Angeblich soll hier um acht die legendäre Blues-Röhre Chris Farlowe mit der Norman Beaker Band Musik machen. Wenn das tatsächlich stimmen sollte (immerhin steht es auf dem Plakat an der Wand), wieso tut sich hier nichts? Datum stimmt, Zeit stimmt – was ist los? Das ist hier ja wie in Berlin, wo man abends um elf zur U-Bahn schlendert, wenn das Konzert oder die Fete um zehn losgehn soll.
Kurz darauf trudeln dann doch die ersten Leute ein, man redet über dieses und jenes Konzert, und wie beiläufig öffnet sich die Tür. Karten werden abgerissen, es gibt einen Stempel aufs Fleisch, und ich bin drin in den späten Sechzigern, höre Gutelaunelachen und Deep Purple, Hendrix und Led Zep und reibe mir verwundert die Augen. Ich war mal kurz vierzig Jahre fort, und nun bin ich wieder da. Prost.
Später wird gesagt, es sei hier nicht immer so unzeitgemäß, aber ja, natürlich, das geht mir mit mir selbst auch nicht anders.
Nach einer Weile wird die Band angekündigt – der Veranstalter ist selbst überrascht, daß er es geschafft hat, sie hier und heute auf die Bühne zu bringen –, und die Instrumente spucken die ersten Töne aus. Auch ich bin überrascht – über die tatsächlich annehmbare Akustik in diesem kleinen Raum, alles geregelt vom Laptop-Mischpult aus, das auf der Theke steht.
Norman Beaker, der aussieht wie ein melancholischer Richard Rogler, spielt Gitarre und beginnt zu singen. Mein Freund, der seine Brille nicht dabeihat, denkt, das sei bereits Chris Farlowe, und freut sich, aber ich sage: Abwarten. Und nach dem Stück kommt er dann, der Meister selbst, und nimmt mit seiner Stimme den ganzen Raum in Besitz.
Was folgt, ist eines dieser Konzerte, an die man sich gern erinnert. Alles paßt, Band und Publikum haben Spaß, kommunizieren miteinander (selten einen so witzigen und dem Publikum derartig dauerhaft zugewandten Musiker gesehen) und erleben gemeinsam einen unzeitgemäßen Wimpernschlag der Zeit.
Zum Schluß noch ein paar zeitgemäße Gespräche. Rund, das Ganze.
I'll Sing the Blues for You
Magic Mountain
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Thomas Manns Roman *Der Zauberberg* wird hundert, das Feuilleton hat jetzt
etwas über den ✺Jahrhundertroman zu schreiben, der als Kurzgeschichte
geplant w...
vor 3 Tagen
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